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Neujahrsempfang 2024

am 14. Januar 2024

Neujahrsempfang 2024 Toast

• Auf ein ertragreiches Jahr wollen wir miteinander anstoßen, das uns unserer Kirchengemeinde Wachstum und Gedeihen bringen möge.

• Auf ein neues Jahr wollen wir anstoßen, daß wir in guter und freundlicher Weise in unseren Orten zusammenleben können. 

• Auf ein gelingendes Jahr wollen wir miteinander anstoßen, daß es für alle unter uns Zufriedenheit bringe und alles, was einem jeden von uns gut tut.  

Kirche I

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wenn wir das Wort „Kirche“ hören, so denken viele zuerst an ein auffälliges Gebäude. Auffällig ist es deshalb, weil es meistens größer ist als andere Gebäude, weil es meistens einen Turm hat und aus der Dachlandschaft heraus ragt, weil es selten aufgesucht wird.

Kirchen bilden in vielen Dörfern und Kleinstädten die Mitte des Ortes. Auch in großen Städten war das mal so, nur sind dort die Häuser sehr oft viel höher als die Kirchtürme.

Kirchtürme sind Landmarken. Man sieht sie von Weitem. Es gibt eine Theorie: Kirchtürme sind so hoch, daß man sie früher von einer bestimmten Stelle der Wege in den Ort sehen konnte: als sicheres Ziel für den Weg.

Kirchen sind Kulturstädten. Im Gegensatz zu anderen Häusern können sie fast nicht verändert werden. Sie sind Zeugen einer gewachsenen Geschichte. Sie sind aber auch Zeichen dafür, daß es in dem Land und der Gesellschaft immer noch Werte gibt, die nicht einfach verändert werden können und dürfen.

Kirchen sind nicht nur Gebäude für Kirchgänger, wie wir in den letzten Jahren gelernt haben. Gerade in den Gebieten mit nur noch wenigen Kirchenmitgliedern in Brandenburg oder Mecklenburg wurde das wichtig. Die Gemeinden sind so klein, die Kosten so hoch, daß viele, selbst alte Kirchen aufgegeben werden sollten. Doch da haben die Dörfer nicht mitgespielt, oft unterstützt von Neuzugezogenen. Auch wenn sich kaum jemand für Gottesdienste interessiert: das Gebäude als Identitätspunkt im Dorf muß bleiben.

Würde das auch für Dauborn gelten? Wird das auch für das eher untypische evangelische Haus in Niederbrechen gelten?

Kirche II

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wenn wir das Wort „Kirche“ hören, so denken viele zuerst an einige ganz typische Elemente: weiter Raum, hohe Decke, bunte Fenster, unbequeme Bänke, Orgel, Kanzel, Altar.

Wenn man mit Kindern ins Gespräch kommt, dann sind es diese typischen Formen der Gestaltung und der Ausstattung, an die man sich erinnert. Wenn eine Kirche anders ist, dann wird sie oft gar nicht als „Kirche“ erkannt – wie immer wieder auch unser Gemeindehaus in Niederbrechen – selbst wenn man darin Gottesdienste feiert, sogar mit Weihnachtsbaum und anderem.

Es gehört zum Lernen im Umgang mit kirchlicher Ausstattung, daß man die Unterschiede sieht. Nicht alle Kirchen haben bunte Fenster, der Platz der Kanzel ist unterschiedlich, die Orgel steht mal hinten, mal vorne. Wer weiter fragt und weiter denkt, wird dem Sinn auf die Spur kommen. Die Ausstattung sagt nämlich sehr viel aus über die Einstellung der Gemeinde zum Glauben. Das hing früher am Bekenntnis, der Konfession, ob man römisch-katholisch ist oder lutherisch oder reformiert oder uniert oder sogar orthodox – oder freikirchlich in verschiedenen Prägungen, was es bei uns inzwischen ja auch reichlich gibt.

Dauborn erklärt sich schnell selbst: die Kirche ist so groß, daß viele Menschen Platz haben. Diese Kirche fühlt sich richtig gut an, wenn viele sich versammeln. Eine kleine Gemeinde ist immer irgendwie mühsam fröhlich zu machen. Wichtigster Punkt ist das Wort Gottes, deshalb bildet die Kanzel die Mitte. Der Altar steht etwas im Wege, weil die Gemeinde früher kein tiefes Verhältnis zum Abendmahl hatte. Heute versammeln wir uns häufiger darum herum. Die weiße Farbe und die hellen Fenster sind Symbole für eine klare Sicht, eine klare Aussage, eine klare Deutung der Bibel, für helle und offene Worte zueinander. Die steifen Bänke verhindern das aber gerade. Deshalb suchen wir immer wieder nach Möglichkeiten, aufzustehen, uns zu bewegen, wie heute Morgen.

Die weiße Kirche alleine kann aber auch übermächtig werden, unsere Augen suchen nach einem Haltepunkt. Den haben wir vorerst mit den farbigen Paramenten gegeben, mit Kranz und Weihnachtsbaum, mit Krippe und Blumen, mit der Erntekrone. Das wird in dieser Kirche immer ein Thema bleiben: wie bringen wir Farbe in den Raum. Das ist eine Frage an die Ausgestaltung, das ist eine Frage an die Gemeinde. Die Menschen, die kommen, setzen eigene Farbpunkte und beeinflussen die Ansicht dieses Raumes.  

Kirche III

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wenn wir das Wort „Kirche“ hören, so denken viele in unseren Tagen an die Institutionen, an die Bischöfe und Verwaltungen, an Kirchenaustritte, Konflikte und Skandale.

Wer einmal mit etwas Besonnenheit tief in die Geschichte der Christen hinabsteigt, bis an die Anfänge, entdeckt etwas: sobald eine Gruppe von Menschen eine bestimmte Größe übersteigt, etwa 300 bis 400 Personen, besteht Bedarf nach Organisation. Es muß jemanden geben, der bestimmte Fragen regelt, der Ziele setzt. Die ersten Christen hatten schon in Jerusalem wenige Jahre nach Jesus schon ganz existentielle Fragen: wer macht welche Arbeit, wer soll das bezahlen, wer hat das Sagen, wer gehört dazu und wer nicht?

Fällt Ihnen etwas auf? Es sind letztlich die Kernfragen auch unserer Zeit. Schon damals hat man Aufgaben trennen müssen, und man hat dazu neue Ämter eingeführt. Nach den Aposteln als den geistlichen Leitern der Gemeinde kamen die Diakone für die Begleitung bedürftiger Gemeindeglieder.

Wer dazu gehörte, das regelte dann die Taufe. Und zur Taufe gehört, zu wissen, was man glaubt. Daraus entstehen im Laufe der Zeit die Glaubensbekenntnisse, die wir heute noch sprechen.

Wie gestaltet man einen Gottesdienst, so daß er dem Dienst vor Gott angemessen ist und den Menschen gut tut? Das legt man über die Jahrhunderte immer wieder neu fest. Manche Kirchen haben ihre Formen seit etwa 1500 Jahren nicht verändert – die orthodoxen Kirchen -, andere passen sie immer neu an. Dazu gehören wir. Und dennoch soll ein Christ aus Basel oder Kiel, aus Kärnten, aus Sachsen oder Ostfriesland dennoch in der Lage sein, wo anders einem Gottesdienst zu folgen. Da muß man mit anderen ins Gespräch kommen.

Um alles das zu regeln, gibt es die kirchlichen Behörden, an der Spitze Menschen, die unsere Kirchen repräsentieren. Manchmal entsteht das Gefühl, daraus hätte sich auch in evangelischen Kirchen eine Hierarchie entwickelt: wer ganz oben sitzt, schafft an. Aber eigentlich ist das nicht so. Vielleicht müssen wir in den nächsten Jahren noch mehr darauf achten, daß wir eine Kirche der Basis bleiben, der Gemeinden in der Region, der Menschen in den Orten, Menschen wie Sie und ich.  

Kirche IV

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wenn wir das Wort „Kirche“ hören, so haben wir zunächst einmal die Gebäude und die Institution unserer Zeit im Blick. Aber schon diese Kirche ist mehr als 250 Jahre alt und sagt uns: schon lange vor uns gab es Christen, Kirche, Gemeinde. Wer hier aufgewachsen ist, kennt als Zeugen dieser Zeit Eltern, Großeltern, Vorfahren.

Wer sich in der Geschichte auskennt, denkt an besondere Theologen, Karl Bart vielleicht oder Dietrich Bonhoeffer, und viel weiter zurück Martin Luther oder Johannes Calvin. Wir wissen um die Anfänge der Christen hier in der Region, Anfänge im Mittelalter mit Karl d.Gr., mit Bonifatius, schon bei den Römern.

Es gab also schon lange Christen und Kirche, es gab sie seit der Zeit Jesu. Die Menschen in der Theologie haben deshalb einen spannenden Gedanken entwickelt: es gibt die sichtbare Kirche (ecclesia visibilis) und die unsichtbare Kirche (eccl. invisibilis) aller vor unserer Zeit – und aller, die noch kommen werden.

Wir stehen in einer langen Tradition. Um Kirche zu sein, müssen wir uns nicht jeden Tag neu erfinden. Wir haben in den Formen und Gedanken aus alter Zeit ein gutes Fundament. Aber wie bei einem anderen Haus muß immer wieder saniert oder umgebaut werden. Das ist eine Aufgabe immer neu in die Zeit hinein, in der Menschen Kirche sind und leben – heute eben wir. Wir erfüllen sie unter den Bedingungen heute. Es scheint so, als sei unsere Zeit gefüllt von Abbau, Traditionsabbruch, schwindender Bedeutung. Ob das so stimmt, kann erst die Zukunft zeigen. Ob wir das zulassen, das müssen wir heute entscheiden und beeinflussen.

Wir erfüllen Aufgaben, die jeder kennt: Gottesdienste nach der Ordnung mindestens sonntags, Taufen, Konfirmationen, Trauungen, Trauerfeiern. Wir sind sozial tätig, durch die Kindertagesstätte, durch Kreise und Gruppen. Wir sind kulturell tätig und fördern die Bildung: durch alles, was schon genannt ist.

Was uns fehlt, ist eine Theologie, die mit vielen Austritten rechnet, die die Unwissenheit über Religion und Glauben bedenkt, mit der Respektlosigkeit umgehen kann. Diese Theologie müßte sehen, wo alles das Steine herausbricht aus der Gesamtheit der sichtbaren und unsichtbaren Kirche, wo Lücken entstehen, Löcher für schädlichen Sturm.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wenn wir das Wort „Kirche“ hören, so spüren wir große Aufgaben. Wir können sie als Chance begreifen, wenn wir auf Menschen zugehen in unseren Arbeitsfeldern. Wir können gerade jetzt hier in Dauborn Neubürger ansprechen und auch bei den Alteingesessenen immer wieder anklopfen. Wir – das ist das Zauberwort. Seit den Anfängen war Kirche immer ein wir – und dieses wir feiern wir heute. Willkommen zum Wir, willkommen zur Gemeinschaft wie schon früher und noch lange Zeit, an diesem Tag durch uns sichtbar und spürbar. Prosit auf das Wir.

(Texte Pfr. Wolfgang Plodek)


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