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Prozess zu Gleis 7

„Uns geht es gar nicht gut“: Prozess zum Tod von Leo

Blumen, Kerzen und Plüschtiere niedergelegt am Gleis 7, bewacht von zwei Sicherheitsmitarbeitern.

Am Tag danach: Menschen haben Blumen, Kerzen und Plüschtiere niedergelegt im Gedenken an den getöteten Jungen.

In einem bewegenden Gottesdienst nahm die Familie vor einem Jahr Abschied von dem kleinen Leo. Nun ist das Urteil gegen den Täter von Gleis 7 gesprochen worden: Er muss auf Dauer in die Psychiartrie. Propst Oliver Albrecht, der damals die Trauerfeier leitete, will den Blick aber nicht nur auf das Gericht lenken.

Vor fast genau einem Jahr nahmen Familie, Freunde, Nachbarn und Bekannte in einer bewegenden Trauerfeier Abschied von Leo. Der Achtjährige war am 29. Juli 2019 am Frankfurter Hauptbahnhof vor einen einfahrenden Zug gestoßen und dabei an Gleis 7 getötet worden. Leos Mutter und eine weitere Frau erhielten ebenfalls einen Stoß und wurden beim Sturz in das Gleisbett teils schwer verletzt.

Tat am Hauptbahnhof bleibt unfassbar

Damals sagte der Propst für Rhein-Main, Oliver Albrecht, in seiner Traueransprache, wie wichtig es angesichts der Sprachlosigkeit sei, „zusammenzuhalten, zu beten und zu weinen, zu singen und zu klagen, uns an den Händen zu nehmen und in die Augen zu schauen“. Das Ereignis bleibe „für immer schrecklich und unfassbar.“ Und weiter: „Wie kann da der Glaube helfen? Was kann uns trösten? Der Glaube nimmt uns nicht den Schmerz. Aber er hilft vielleicht, mit ihm zu leben.“

Mord oder Strafunfähigkeit? 

Fast auf den Tag genau ein Jahr später hatte in Frankfurt der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter begonnen. Am Freitag ist nun das Urteil gesprochen worden: Der Täter muss dauerhaft in eine psychiatrische Einrichtung. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits bei der Anklageerhebung den Antrag gestellt, den Beschuldigten, der selbst Vater von drei Kindern ist, in einer Psychiatrie unterzubringen. Es waren massive psychische Erkrankungen wie Schizophrenie vermutet worden. Das Gericht sah dies schließlich als Erwiesen an.  

Täterperspektive loslassen

Nach dem furchtbaren Geschehnis in Frankfurt ist auch für Propst Albrecht klar: „Ein Jahr nach dem schrecklichen Ereignis beginnen wir, uns wieder daran zu erinnern. Aber wer so etwas selbst erlebt hat, denkt jeden Tag daran.“ Er befürchtete bereits vor Prozessbeginn, dass vor allem der Blick der Medien zu stark auf den Täter gelenkt wird und die Sicht der Opfer ins Hintertreffen gerät. „Die Fixierung auf den Täter tut uns in diesem Fall nicht gut. Es ist besser, ihn loszulassen und in Gottes Hände zu geben. Sonst gewinnt er zu viel Macht über unser Leben.“

In Gedanken bei der Familie bleiben

Wichtiger sei es, die Gedanken zur Familie des Jungen gehen zu lassen, erklärt Albrecht. „Uns hat ihr Schicksal bewegt und erschüttert und wir waren als Kirche und in der ganzen Region für Sie da, so gut wir das konnten“. Nach Ansicht von Albrecht können „Seelsorge, Gemeinschaft und Glaube dabei helfen, die Situation zu bewältigen. Und er ist überzeugt: „Unsere Wut und Verzweiflung, dass das alles so gekommen ist, sind Gott nicht egal. Er wird in Ewigkeit daran denken.“

Familie von Leo geht an Öffentlichkeit

Ganz unabhängig vom Blick auf den Angeklagten und den Prozess bleibt der Schicksaalschlag vom vergangenen Jahr für Leos Familie allgegenwärtig. „Seit dem tragischen Verlust unseres kleinen Sohns und Bruders geht es uns nicht gut, in den vergangenen Monaten stand einzig die Erinnerung und Trauer um unseren kleinen Leo im Vordergrund“, schreibt sie in einer berührenden Mitteilung an die Presse. Die Familie werde weiter psychologisch und seelsorglich betreut. Und sie kritisiert die bisherigen Ermittlungen sowie die Schlussfolgerungen der Bahn zur Sicherheit an den Gleisen scharf: „Schreckliche Taten wie diese, sowie tragische Unfälle dürfen in Zukunft nicht mehr geschehen und hingenommen werden.“

 

 


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